Motorrad-Tour ins Böhmische
Fußrastentests und Adrenalinschübe auf tschechischen Straßen
Freundliche Motorradfahrer haben Fliegen zwischen den Zähnen! Und zum Lächeln haben Biker jederzeit Grund. Schließlich ist eine Ausfahrt fast immer ein Vergnügen. Nur im Regen, oder wenn der Fahrtwind das Gesicht bei 130 Stundenkilometern flattern lässt, entgleisen schon mal die Gesichtszüge.
Frühlingstemperaturen im zweistelligen Bereich und die Aussicht auf einen regenfreien Tag locken Dresdner Motorradfahrer jederzeit zu einem Ausritt ins heimische Umland, vorzugsweise in Richtung Süden. Das Mückentürmchen im Böhmischen ist mein Reiseziel, doch ums Ankommen geht es fast nicht, ums Hinfahren umso mehr. Dass nur eine knappe halbe Stunde vom Zentrum entfernt die ersten Haarnadel-Kurven angesteuert werden können, hat nicht jede Stadt zu bieten. Noch mehr Adrenalinschübe verursachen jedoch die engen Gebirgsstraßen auf der tschechischen Seite der Grenze. Deshalb beginnt für mich eine wirklich gelungene Ausfahrt zumeist erst etwa 45 Kilometer südlich von Dresden, in Schmilka. Die Anfahrt über Heidenau und Königstein ist schnell bewältigt, dafür reichen 45 Minuten allemal. Geübte Fahrer testen spätestens zwischen Pirna und Königstein die Durchzugsfähigkeit des Motors, die Strecke nach Bad Schandau lockt danach mit den ersten Kurven. Wochentags hält die Grenze zumeist nicht lange auf, wenn aber am Sonnabend oder Sonntag die Zigaretten- und Klamotteneinkäufer nach Hrensko unterwegs sind, muss dort etwas Wartezeit eingeplant werden. Vorsichtige Vorbeifahrten an stehenden Autos sollen übrigens erlaubt sein, solange man nicht über die weiße Fahrbahnbegrenzung gerät. Aber Achtung: ungeduldige Autofahrer, die in der Hitze in ihrer Blechschachteln vor sich hinglühen, sollen gelegentlich die üble Angewohnheit haben, plötzlich die Fahrertür zu öffnen…
In Hrensko lasse ich den Markt immer links liegen. Schließlich würde ich dort sowieso nichts kaufen. Decin ist das nächste Ziel, 20 Kilometer weiter und eine reichliche Viertelstunde nach dem Grenzübertritt rolle ich über die alte Stahlbrücke in Richtung Stadtzentrum. Richtet man sich dort nach den Teplice-Wegweisern, führt der Weg schnell wieder aus dem Ort heraus. Der Marktplatz, auf dem sich auch wochentags immer ein Plätzchen findet, um das Motorrad abzustellen, ist an der Franz-von-Assisi-Kirche zu erkennen. Er befindet sich nur wenige Meter links von der Straße nach Teplice. 8 Kronen kostet dort der türkische Kaffee im Plastebecher, der Hände und Magen wärmt. Richtig gut schmeckt er jedoch nicht. Den Lebensmittelladen an der Südseite des Platzes habe ich für die üblichen Besorgungen ausgewählt, einheimische Zigaretten, den leckeren tschechischen Senf und die Hörnchen, die an Skiurlaub im Riesengebirge erinnern.
Eine halbe Stunde später knattere ich weiter in Richtung Teplice. Nach einem knappen Kilometer führt mein Weg nach rechts in Richtung Norden. Als markanter Wegweiser dient dabei ein Rohbau-Haus, das seit Jahren auf der linken Straßenseite vor sich hin dämmert. Endlich die erste echte Bergstraße, in deren Kurven die Bodenfreiheit der Fußrasten getestet werden kann. Das Asphaltband führt schnell nach oben, an der nächsten Kreuzung biege ich nach links in Richtung Sneznik ab. Durch einen lichten Wald führt die Strecke fast schon auf dem Kamm der Böhmischen Schweiz. Kleine Parkplätze und die Restaurants in Sneznik laden zur nächsten Rast ein. Aber ich fahre vorbei, schließlich bin ich nicht zum Essen gekommen. Tisá mit seinem beeindruckenden Felsmassiv zieht vorbei, in Petrovice ignoriere ich erfolgreich den nächste Kram-Markt, Krásn´y Les wirkt fast wie am Ende der Welt.
Von Adolfov aus, nachdem ich schon einige Kilometer direkt an der Grenze entlang gefahren bin, sehe ich zum ersten Mal das Mückentürmchen. Doch die Kammstraße ist dicht. Auf dem matschigen Feld daneben hat sich ein Auto im Schlamm festgefahren, die Straße ist trotz strahlen-der Sonne noch vom Eise bedeckt, noch immer behindern Reste hoher Schneewehen den Verkehr. Durch den 20 Zentimeter tiefen Pappschnee will ich nicht pflügen. Also bleibt mir nichts anderes, als die Abfahrt über Vetrov nach Telnice, vorbei an Schlepplifts und schneebedeckten Skipisten. Krupka heißt das nächste Ziel und dort nehme ich wieder den Anstieg zum Mückentürmchen unter die Räder. Für den Umweg werde ich mit einer Serpentinenstraße belohnt, die es durchaus lohnt, zwei Mal zu fahren. Dass auf halber Höhe ein Schaubergwerk zum Besuch einlädt, ist für Motorradfahrer gänzlich uninteressant. Wer hier stoppt, hätte auch mit dem Auto kommen können! Runterschalten, Gas geben, hochschalten, Kurve nehmen, runterschalten, Gas geben – vor jeder Serpentine jubelt der Motor.
Oben am Mückentürmchen belohne ich das Motorrad für die ungewöhnlich sportliche Leistung mit einer kleinen Pause und mich für mein fahrerisches Können mit einem großen türkischen Kaffee. Die Gaststätte mit Rundumblick bis zum Riesengebirge wäre auch ein guter Ort für ein ausgiebiges Mahl. Der Klassiker auf der Karte sind natürlich die „Knödel mit Gulasch“ für 59 Kronen. Doch der Weg ist das Ziel. Also setze ich die Fahrt auf dem Gebirgskamm ins nur noch zehn Kilometer entfernte Zinnwald fort. Wieder liegt Schnee auf der Straße und die schmalen Spuren, auf denen der Asphalt zu sehen ist, verlangen zum Teil gewagte Balanceakte auf der Fünf-Zentner-Maschine.
Der Rest der Reise muss zwar erwähnt werden, ist aber eigentlich keine Empfehlung wert. Auch auf dem Motorrad ist die B170 nach Dresden keine reine Freude. Bis auf wenige Highlights, wie die zweispurige Strecke hinter Dippoldiswalde und der Anstieg nach Possendorf. Immerhin, auf zwei Rädern lässt sich die Lkw-Kampfpiste wesentlich schneller nehmen als auf vier Rädern. Und so bleibt nach dem letzten Abschnitt der 190-Kilometer-Tour zumindest Zufriedenheit, weil selbst die Herrschaften in tiefergelegten, übermotorisierten oder spoilerbestückten Blechkarossen noch immer zwischen Bannewitz und dem Kaitzer Loch im Stau stehen, während unsereins längst im Stammcafé sitzt und die Tour in Gedanken noch einmal von vorn angeht. Spätestens jetzt verschwinden auf geheimnisvolle Art übrigens auch die Fliegen zwischen den Zähnen!
Anhalte-Tipps
Nicht die Besichtigung denkwürdiger Gebäude und der Besuch von Märkten stehen bei Motorradtouren im Vordergrund, sondern die Fahrt selbst. Wer bei dem vorgeschlagenen Ausritt aber dennoch einen Zwischenstopp einlegen will, kann sich an folgenden Vorschlägen orientieren: In Bad Schandau (1) lädt das neue Schrammsteinbad zur Erholung ein, außerdem kann der berühmte Fahrstuhl an der B172 kurz nach dem Stadtzentrum für einen Ausflug nach Ostrau genutzt werden. In Hrensko (2) gibt’s für hartgesottene Einkäufer einen Markt zum Bummeln. Dort befindet sich auch die erste Tankstelle auf tschechischer Seite, zahlreiche Geldwechsel-Agenturen warten in kleinen Bürohäuschen auf Kunden. Decin (3) verfügt über ein Schloss auf der Ostseite der Elbe, im Stadtzentrum auf der anderen Seite des Flusses kann man vortrefflich in typischen tschechischen Läden stöbern. Wer gelegentlich gern wandert, könnte in Tisá (4) stoppen und das Felsmassiv am Rand des Ortes erklimmen (Aufstieg dauert etwa 20 Minuten). In Petrovice (5) lockt der zweite Markt, gleich am Ortseingang ist auch eine Tankstelle zu finden. Höhepunkt der Tour ist aus Motorradfahrer-Sicht der Anstieg (6) von Krupka zum Mückentürmchen. Die schmale und zum Teil steile Asphaltstraße windet sich in zahlreichen Kurven auf den 809 Meter hohen Mückenberg, etwa auf halber Höhe befindet sich ein Schaubergwerk. Haltepunkt auch für „echte Biker“ sollte in jedem Fall das Mückentürmchen (7) selbst sein. Unmittelbar neben dem Haus auf der Bergspitze (das Restaurant hat täglich geöffnet, außerdem sind dort Zimmer zu mieten, Informationen unter Tel. 00420417/861348) befindet sich eine Außenterrasse mit Tischen und Bänken. Gleich daneben ist Platz, die Motorräder abzustellen. Der Rückweg führt über Cinovec (wieder mit zahlreichen Geschäften) und Zinnwald-Georgenfeld (8). Wer jetzt noch stoppen will, kann zu Fuß das Hochmoor erkunden oder nach Zinnwald hineinfahren und kurz vor dem ehemaligen Grenzübergang nach links zu einem deutschen Schaubergwerk abbiegen.
Hier kann man Motorräder ausleihen
Verleih-Voraussetzungen: Wer mit einem Leih-Motorrad fahren will, muss Führerschein (A1 für Leichtkrafträder bis 125 cm3 Hubraum; A für Leichtkrafträder mit mehr als 50 cm3 und bis 25 kW Leistung; A unbeschränkt für alle anderen Motorräder) und Personalausweis/Pass vorlegen.
Verleih-Kosten: Die Leih-Preise bewegen sich zwischen 25 (für Roller) und 150 Euro (für große Maschinen) pro Werktag. Darin sind zumeist bis zu 300 Frei-Kilometer enthalten. An Wochenenden oder über längere Zeiträume bieten die Händler Sonderpreise an. Nicht in allen Fällen sind darin auch die Versicherungskosten eingeschlossen. Die Kautionen für Leih-Motorräder bewegen sich zwischen 500 und 750 Euro.
Verleih-Firmen: Im Dachverband Motorent sind drei Firmen aus Dresden und Umgebung vertreten:
Zweiradcenter Dresden, Tel.: 0351-8045900 mit den Marken Triumph und Yamaha;
Öhme & Gröbner aus Freital, Tel.: 0351-6506506 mit Suzuki;
Gärtner’s Motorrad-Shop aus Dohna, Tel.: 03529-512774 mit Yamaha). Infos unter www.motorradvermietung.net.
Darüber hinaus bieten Firmen wie
Motorrad Aehlig mit Kawasaki und MZ (Tel.: 0351-8387574, www.motorrad-aehlig.de) und BMW (Tel.: 0351-2852635, www.bmwdresden.de) Leihmotorräder an.